Zeitzeugengespräche 2024/25 - Thomas Raufeisen
Mit den Worten „Wenn die Freiheit plötzlich weg ist“ begann Thomas Raufeisen das Zeitzeugengespräch an der Eichendorffschule für alle Schüler und Schülerinnen der Q3. Seine nervenaufreibende Geschichte verbunden mit den Passagen aus seinem Buch „Ich wurde in die DDR entführt. Von meinem Vater. Er war Spion.”, brachten dem Publikum die Umstände zur Zeit der Teilung Deutschlands nahe.
Die Geschichte des Hannoveraners beginnt schon in seiner frühen Kindheit. Von seinem Wohnort in der BRD besucht er mehrmals seine Großeltern in der DDR auf Usedom. Sein Zuhause sowie seine Schule und sein Umfeld sind modern und westlich orientiert, weswegen er schon früh die Unterschiede in Wohlstand und Freiheit zwischen den beiden Staaten entdeckt. Als er im Jahre 1979 im Alter von 17 Jahren mit seiner Familie, unter dem Vorwand, sein Großvater liege im Sterben, kurzfristig in die DDR reist, bricht für ihn die Welt zusammen. Es stellt sich heraus, dass sein Vater Wirtschaftsspionage für die DDR in der BRD betrieben hatte und nun, um einer Festnahme zu entrinnen, zurück in den Osten kehren muss. Ohne Rückkehr in Sicht. Nachdem sie ihre westlichen Pässe abgeben müssen und unwissentlich eine Staatsbürgerschaft in der DDR beantragen, scheint ein Ausweg aus dieser „fremden Welt“, in der man die „Farbe vergessen“ habe, unmöglich.
Als Thomas Raufeisen auf eine Elite-Schule eingeladen wird, glimmt seine Hoffnung auf ein normales Leben wieder auf. Jene erlischt jedoch schon kurz darauf. Er selbst erleidet einen Kulturschock: Die Schule unmodern, der Unterricht fast militärisch und die Selbstentfaltung nicht wirklich vorhanden.
Die Verblendung seines Vaters vergeht schnell. Der ihm versprochene friedliche und sozialistisch utopische Staat ist das Gegenteil zu dem, was ihm selbst begegnet. Infolgedessen beginnt die Familie ihre Flucht zu planen. Raufeisens älterer Bruder war schon, da er älter war und so den später gestellten Antrag auf Staatsbürgerschaft ablehnen konnte, in die Bundesrepublik zurückgekehrt.

Doch Fluchtversuche über Kontakte mit der CIA, die Bemühungen des Bruders bei den Behörden und sogar eine Flucht über die westdeutsche Botschaft in Budapest bleiben fruchtlos.
Als die Familie dann festgenommen wird und die nächsten 14 Monate in Untersuchungshaft im Stasi-Gefängnis Berlin-Hohenschönhausen verbringen muss, dessen Schrecken den Schülern durch den Besuch im Zuge der Berlin-Fahrt bekannt war, scheint der Tiefpunkt erreicht. Er wird zu drei Jahren Haftstrafe, seine Mutter zu sieben und sein Vater zu lebenslänglich verurteilt. Einen fairen Prozess gab es nicht. Die Haft im Gefängnis Bautzen II prägt ihn nachhaltig. Seine Hoffnung, politisch freigekauft zu werden ist vergebens. Nach seiner Entlassung bestätigt sich seine Hoffnung doch noch. Über den Checkpoint-Charlie kann er zurück in die BRD gelangen. Seine Mutter folgt nach ihrer Haft ebenfalls, sein Vater stirbt unter mysteriösen Umständen im Gefängnis.
Glücklicherweise kann er in der Republik jedoch noch seinen Bildungsweg beenden und wird Vermessungsingenieur.
Thomas Raufeisens Geschichte, wie er selbst bestätigt, ist heute noch oder vielmehr gerade jetzt von enormer Relevanz. Die heutigen Umstände würden ihn nur zu gut an seine Erfahrungen erinnern. Sie zeigen wie schnell man seine Freiheiten und sein glückliches Leben verlieren kann. Das Erstarken der rechten Bewegungen in Deutschland beunruhigt den Hannoveraner ungemein. Behauptungen des Bündnisses Sarah Wagenknecht beispielsweise erinnern ihn an die umfassende DDR-Propaganda. Dass das BSW in der Bevölkerung Gehör finde, sei ein Bildungsproblem, so Thomas Raufeisen.
Über Thomas Raufeisen
(Beitrag der Gedenkstätte Hohenschönhausen)
Pressebericht