Ja zu G 9, Nein zum Gymnasium

logo_presse_hk  vom 27.02.2012

Fast 100 Eltern, Lehrer und Politiker diskutieren über die Entwicklung der Kelkheimer Schullandschaft

UKW und Grüne hatten nach vielen Gerüchten die Initiative ergriffen. Heute geht es im Stadtparlament weiter.

Es wurde viel gefragt und diskutiert — zum Teil auch kontrovers. Doch nach zwei Stunden brachte es eine Mutter auf den Punkt: "In einem sind wir uns alle einig: Wir wollen etwas für unsere Kinder tun und die Schulstandorte in Münster und Fischbach stärken." Doch wie das gelingen kann, darüber gehen die Meinungen auseinander. Es gibt durchaus Anhänger für ein eigenständiges Gymnasium, weshalb die Kelkheimer CDU dieses Thema auch aufgegriffen hat. Heute Abend soll das Parlament (20 Uhr, Rathaus) abstimmen, ob es eine Podiumsdiskussion geben soll.

Einen ersten Vorgeschmack erhielten fast 100 Eltern, Lehrer und Politiker gestern bei einem von der UKW und den Kreis-Grünen initiierten Forum. Die Tendenz im Gartensaal war eindeutig: Die Eltern sprachen sich per Handzeichen nicht nur gegen ein eigenständiges Gymnasium in der Stadt aus, sie votierten mit noch deutlicherer Mehrheit dafür, zumindest an einem Standort zur neunjährigen Gymnasialzeit (G 9) zurückzukehren. Repräsentativ ist das Bild aber nicht, saßen doch hauptsächlich Eltern der Fischbacher Schüler im Raum.

Dort sei die Verunsicherung derzeit besonders groß, wie UKW-Chef Albrecht Kündiger betonte. Dafür sorgten die vielen Gerüchte um die Schullandschaft. "Diese Spekulationen entbehren jeder Grundlage", Kündiger. Es gebe kein Schulproblem in Kelkheim, das gymnasiale Angebot sei an zwei Standorten vorhanden und müsse erhalten bleiben. Als die Staufen-Schule Fischbach vor acht Jahren wegen sinkender Zahlen geschlossen werden musste, "da hatten wir ein Problem". Doch mit Hilfe engagierter Lehrer sei nach dem Zusammenschluss mit der Eichendorffschule (EDS) Münster daraus "eine ganz tolle Schule" geworden, ist Kündiger überzeugt.

Werde dort jetzt das gymnasiale Angebot gestrichen, gebe es in Fischbach ein Problem, pflichtete ihm ein Vater bei: "Mit einem Gymnasium in Münster fahren wir Fischbach an die Wand. Dann ist der Standort in drei Jahren zu."

Welche drei realistischen Alternativen die Eltern haben, zeigte der für die Schulen zuständige Kreisbeigeordnete Wolfgang Kollmeier (CDU) auf, der zur Freude der Grünen kurzfristig gekommen war. Entweder, es bleibe alles beim Alten, oder es gebe ein reines Gymnasium in Münster sowie Haupt- und Realschule in Fischbach oder eine Trennung in zwei kooperative Gesamtschulen an beiden Standorten. Eine Präferenz habe der Kreis noch nicht, betonte Kollmeier, der aktuell erst einmal alle Zahlen und Fakten sowie Meinungen sammelt. Klar ist: Die Schülerzahlen sollen bis 2020 nicht signifikant sinken. 2012 soll der Kreistag den Schulentwicklungsplan für die nächsten fünf Jahre verabschieden. Wirksam wird dies erst zum Schuljahr 2013/14. Am 14. März wird im Kreishaus die Kelkheimer Situation mit allen Leitern sowie Elternvertretern der Grund- und Gesamtschulen beleuchtet. Danach wird es eine Vorlage geben. "Ich werde nicht gegen die Eltern entscheiden", betonte Kollmeier. Allerdings sei der Drang in die Gymnasien im Kreis schon groß. Die Zahl der Schüler, die diesen Zweig besuchen, habe sich seit 2009 mehr als verdoppelt. "Das zwinge den Kreis, "darüber nachzudenken, das Angebot auszubauen" — ob nun in Gesamtschulen oder in einem reinen Gymnasium.

Fürsprecher für die letztere Variante gab es gestern vereinzelt. "Für gewisse Eltern ist die Richter-Schule nicht zugänglich", sagte eine Mutter zur Alternative des Privatgymnasiums in Kelkheim. Daher würde ein staatliches Haus "der Entwicklung in Kelkheim gut tun". Doch die Mehrheit wehrte sich gegen diese Idee. Eine Grundschullehrerin aus Fischbach fürchtet gar eine Schülerflucht. In den vergangenen Jahren sei fast der komplette Jahrgang im Ort geblieben — mit einem "grundanständigen Gymnasium" in Münster, wie sie es unter dem Schmunzeln der Gästen nannte, werde sich das ändern.

Applaus ernteten vor allem die Fürsprecher für G 9 — allen voran der ehemalige FWG-Parlamentarier Ortwin Kloß: "G 8 ist ein Flop. Da haben die Kinder Arbeitszeiten, die einem Industriemechaniker gleichzusetzen sind und keine Zeit fürs Kindsein." Die sozialen Kontakte ihrer Tochter nach drei Mal Nachmittagsunterricht bis 16.15 Uhr seien "gleich Null", ergänzte eine Mutter. So hoben fast alle die Hand, als der G 9-Wunsch abgefragt wurde. Das entspricht einer von vielen Umfragen, die derzeit zur Schullandschaft in der Stadt kursieren (Bericht folgt). Bei der Privatinitiative von Sabine Conrad in Grundschulen und Kitas haben über 80 Prozent für G 9 votiert — und das gibt es nun mal nicht auf einem reinen Gymnasium . . .                                                

(wein)