Im Netz fallen die Hemmschwellen
vom 01.02.2012
Viele Schüler liefern im Internet möglichen Angreifern genug Material — EDS unterschreibt gegen Cybermobbing
Bei einem SV-Tag wurden Erfahrungswerte ausgetauscht und Experten gehört.
Wenn Polizei und Psychologen eingeschaltet werden, ist es oft schon zu spät.
Von Sarah Leckel
Es beginnt mit einer Hänselei auf dem Schulhof. Zu dick, zu dünn oder einfach zur falschen Zeit am falschen Ort. In den sozialen Netzwerken im Internet setzen sich die Quälereien fort. Während eines SV-Tages haben sich die Klassensprecher .der Eichendorffschule (EDS) nun intensiv mit Cybermobbing auseinandergesetzt.
Das Thema sei nicht neu, weiß Florian Stendebach, stellvertretender Schulsprecher. So besuchte er schon eine Informationsveranstaltung des Präventionsrates des Main-Taunus-Kreises und kennt die Aufklärungskampagne von Bundesfamilienministerin Kristina Schröder. Gemeinsam mit Schulsozialarbeiterin Aspe Rosenberg erarbeitete die Schülervertretung (SV) das Konzept für die Aktion an der Eichendorffschule.
"Ihr seid als Klassensprecher hier, passt auf, macht euch Notizen und überlegt euch, wie ihr das in die Klassen weitertragt", fordert Schulsprecher Fabian Beine seine Mitschüler auf. Es sei schwierig, mit allen rund 1900 Schülern gleichzeitig zu arbeiten, so Beine. Der SV-Tag biete jedoch eine Möglichkeit, die gesamte Schule einzubeziehen. "Außerdem trägt es dazu bei, die Standorte zusammenzuführen."
Als Beauftragter für Jugendmedienschutz am Hessischen Kultusministerium befasst sich Günter Steppich intensiv mit dem Thema Cybermobbing. "Es passiert nicht unabhängig voneinander", sagt der Experte. Normales Mobbing setze sich online fort. Da über das Internet ein größerer Adressatenkreis zu erreichen sei, werde es noch schlimmer als in der Schule. "Zu Hause hat man keinen Rückzugsort mehr." Schulsprecher Beine kennt den Druck, der auf die Opfer ausgeübt wird: "Das geht den ganzen Tag, von morgens bis abends." Früher hätte man Bauchschmerzen gehabt, wenn man als Mobbingopfer in die Schule musste. "Heute nimmt man es auch mit nach Hause." Möglich werde dies durch die ständige Erreichbarkeit via Handy und Internet. "Es dreht sich fast alles nur noch um Facebook", kennt auch Steppich die Vorlieben der Jugendlichen. Das Netzwerk sei zwar nicht wirklich anonym, direkten Augenkontakt hätten die Nutzer jedoch auch nicht. "Da fallen die Hemmschwellen."
Selbstverständlich gäbe es rechtliche Möglichkeiten, klärte Steppich auf. Doch wenn erst Polizei und Psychologen eingeschaltet wären, sei schon vorher etwas schief gelaufen. "Wir müssen Prävention betreiben", so der Rat des Experten. Schüler müssten sensibilisiert werden: "Das Verhalten online muss genauso ordentlich erfolgen, wie im richtigen Leben." Man müsse den Schülern bewusst machen, was für ein Werkzeug sie hätten und welche Wirkung das hat. Die Pflicht sieht Steppich nicht nur bei den Tätern. Die Opfer können sich durch richtiges Verhalten schützen. "Viele Schüler liefern möglichen Angreifern viel Material", sagte der Experte über unbedacht ins Netz gestellte Fotos. Man müsse sehr genau aufpassen, was man ins Netz stelle – auch bei Freunden.
Um Cybermobbing an der Eichendorffschule einzudämmen, haben die SV-Mitglieder einen Vertrag "Against Cybermobbing" aufgesetzt. Darin heißt es unter anderem: "Wir sind grundsätzlich gegen jegliche Form von Mobbing!" Wer sich durch Mobbing verletzt fühle, solle sich an die SV oder andere Vertrauenspersonen wenden. Auch das Thema Mittäterschaft spart der Schülervertrag nicht aus: Wer merke, dass einer seiner Mitschüler im Internet oder in der Schule gemobbt wird, solle sich an die entsprechenden Ansprechpartner wenden. In den kommenden Wochen sollen alle Eichendorffschüler den Vertrag unterschreiben.
Schulsprecher Fabian Beine (2. von links) und sein Stellvertreter Florian Stendebach (links)
unterschreiben gegen Cybermobbing. (Foto: Matthias Knapp)