"Für mich war das Thema absehbar"

logo_presse_hk vom 24.08.2012

Rektor der Eichendorffschule über mutige Aussagen, überflüssige Richtungs-Diskussion und offene G 9-Perspektiven

"Lasst unsere Schule in Ruhe." Mit diesen deutlichen Worten hat Schulleiter Volker Stender-Mengel die Diskussion über ein Gymnasium in Kelkheim kommentiert. Im Rückblick auf das ganze Theater findet er im Interview mit Kreisblatt-Redakteur Frank Weiner ebenso klare Formulierungen.


Die Schule hat wieder begonnen. Sind Sie erleichtert, dass bereits in den Ferien die Diskussion beendet wurde?

VOLKER STENDER-MENGEL: Ja, es war von unserem Schuldezernenten Wolfgang Kollmeier so avisiert. Ich konnte beruhigt in die Ferien gehen. Er deutete an, dass es in die Richtung gehen würde, die wir uns gewünscht haben. Das war eine gute Botschaft. Ich war dabei eingebunden und bin, so wie es gelaufen ist, zufrieden. Zum Pressetermin mit der Bekanntgabe der Entscheidung wurde ich zwar nicht eingeladen. Ich sehe es aber nicht als bewusste Absicht des Kreises.

Wie waren die Reaktionen in den ersten Tagen nach Ferienende von Schülern, Lehrern, vielleicht auch Eltern?

STENDER-MENGEL: Ich habe nur von unserer Schülervertretung gehört, dass es als gute Nachricht aufgenommen wurde. Auf unserer Eingangskonferenz habe ich dazu gar nichts mehr sagen müssen. Es gibt überhaupt keine negativen Reaktionen. Alle haben das Gefühl, diese Sorgen sind vom Tisch.

Der uneinheitliche Elternwille war wohl das Zünglein an der Waage . . .

STENDER-MENGEL: Ja, vielleicht. Aber es war eine falsche und populistische Behauptung, dass die Eltern entscheiden, wie es weitergeht. Es entscheidet erst einmal der Kreis, ob es eine Änderung oder ein Bedürfnis nach Änderung gibt. Und ich bin der Meinung: Dieses Bedürfnis gibt es nicht. Wir können unsere Schülerzahlen auch so sichern. Die Schüler kommen, die Schule wird akzeptiert. Unsere Gymnasiasten machen ja genau das, was die an anderen Gymnasien auch machen. Wir haben keine anderen Lehrpläne, Bücher und Prüfungen. Wir sind ein Gymnasium in der Gesamtschule. Es entsprach vielleicht dem politischen Willen, ein Gymnasium haben zu wollen.

Sie sprachen immer vehement gegen ein grundständiges Gymnasium . . .

STENDER-MENGEL: Das reine Gymnasium ist ein Modell, das ich für überholt halte. Denn wir reden über Integration, über Inklusion, vom Miteinander und dem sozialen Lernen. In der kooperativen Gesamtschule profitieren die Haupt- und Realschüler derzeit vom Umfeld. So kommen zum Beispiel die tollen Aktivitäten der Schülervertretung allen Schülerinnen und Schülern zugute. Und ein reines Gymnasium hätte kein Recht auf Schulsozialarbeit, von der derzeit auch die Gymnasiasten profitieren.

Alles fing mit einer Äußerung von Landrat Michael Cyriax an, der ein Gymnasium in Kelkheim ins Spiel brachte. Hätten Sie danach eine so intensive Auseinandersetzung erwartet?

STENDER-MENGEL: Bei meinem Dienstantritt vor drei Jahren war das für mich als Thema schon absehbar. Politische Fragen nach Schulformen kommen immer wieder, in unserem Fall war die Trennung als Thema vorherzusehen. Ich halte es auch für nachvollziehbar, dass der eine oder andere für seine Wünsche eintritt.
Jedoch ist das durchaus problematisch: Jeder macht andere Vorschläge, und bei solchen Diskussionen kann es nur Verlierer geben — zum Beispiel, ob es nun G 8 oder G 9 an Gymnasien geben soll. Jede Schule wird dadurch in eine Richtungsfrage gedrängt, die klaren einheitlichen Konzepte fehlen dagegen.

Und die Diskussion wird weitergehen. Für Fischbach wurde eine Gesamtschule mit G 9 vorgeschlagen . . .

STENDER-MENGEL: G 9 scheint zwar der Elternwunsch in Fischbach zu sein, doch dort ist es im Moment nicht realisierbar, denn noch sind wir eine Schule. Allerdings denken die Eltern ihren Wunsch nach G 9 nicht ganz zu Ende. So ist ein Schulwechsel nach einer Trennung zwischen den Standorten bei G 8 in Münster und G 9 in Fischbach nicht mehr möglich. Auch wird eine Kooperation als Verbundschulen dann schwieriger. Zum Beispiel beim Übergang in die Oberstufe, wenn jüngere auf ältere Schüler treffen. Für Fischbach hieße G 9 ein Jahrgang mehr und damit mehr Räume und Lehrer. Dabei ist die Schule schon jetzt voll, und es sagt keiner, wo es herkommt.
Zudem gibt es jetzt in der Nähe in Eppstein das G 9-Angebot. Das kostet das Schulamt schon Geld. Da ist die Frage: Wird das in der Nachbarschaft noch einmal investiert? Ich bin der Meinung, wir sollten unsere Erfahrungen mit G 8 zunächst einmal evaluieren und kommunizieren. In Münster ist ein Wechsel im Moment zudem kaum ein Thema. Dort hat eine Elternumfrage keine absolute Mehrheit zu G 9 und eine gewisse Zufriedenheit mit G 8 ergeben. Unsere SV sieht auf Nachfrage auch keine Probleme.

Sehen Sie denn Alternativen?

STENDER-MENGEL: Ja durchaus. Ich würde folgendes Modell favorisieren: Die Schüler bleiben sechs Jahre in der Sekundarstufe 1, wechseln dann in die Oberstufe, wo sie ihr Abitur in zwei oder drei Jahren machen können. Damit würden auch die Schulwechsel leichter fallen. Aber dieses Thema können wir nur anstoßen, das ist grundsätzlich eine schulpolitische Frage.

Sie haben schon früh Position für einen Erhalt der Gesamtschulen in Kelkheim bezogen. Andere Schulleiter hätten sich das vielleicht nicht getraut. War Ihre Haltung ein wichtiger Baustein für die Empfehlung im Kreis?

STENDER-MENGEL: Das ist ja eine Position gewesen, die auch im Schulamt bevorzugt worden ist. Wir waren uns in der Schulleitung einig, dass wir reagieren müssen. Schließlich sollen sich die Lokalpolitiker nicht auf unsere Kosten profilieren und an der Schule reiben. Vom Kreis habe ich nach meinen Äußerungen nichts Kritisches gehört. Wenn, dann gab es persönliche Äußerungen — wie vom ehemaligen Landrat Berthold Gall, der mich beim Sommerfest in meiner Haltung bestärkt hat. Die Kollegen an der Schule fanden es ebenfalls richtig. Der Personalrat hat betont, dass das Vorgehen notwendig war.

Noch muss der Kreistag abstimmen. Das dürfte aber Formsache sein, oder?

STENDER-MENGEL: Was heißt Formsache? Mein Gefühl ist, dass auch Teile der Oppositionsparteien damit gut leben können, zumal diese Variante keine horrenden Kosten verursachen wird. Ich kann mir daher nicht vorstellen, dass es große Widerstände geben wird.

Sofern der Kreistag grünes Licht für den Erhalt der Gesamtschule, aber eine Trennung der Standorte gibt — wie verfahren Sie auf diesem Weg?

STENDER-MENGEL: Realistisch ist eine Trennung zum nächsten Schuljahr 2013/2014. Weniger realistisch ist es, dass bis dahin tatsächlich über das Ministerium eine Schulleitung etabliert werden wird. Allerdings ist es nicht der Wunsch, dass man fortan nur getrennte Wege gehen wird. Natürlich sollte Fischbach in der Schulentwicklung neue Spielräume entfalten können. Aber bewährte Dinge wie Bläserklassen oder Skifreizeiten sollten nicht plötzlich gestrichen werden. Die Schule ist etabliert, von den Eltern anerkannt. Man sollte sie nicht auf dem Reißbrett neu anlegen.

Das Trennungs-Thema ist ja nicht neu.

STENDER-MENGEL: Nein. Als ich hier Schulleiter wurde, war mein Ziel schon, perspektivisch eine Eigenständigkeit anzudenken. Im Fischbacher Kollegium gibt es im Einzelfall Lehrkräfte, die das weniger begrüßen, denn eine gemeinsame Schule gibt Sicherheit. Doch denke ich neben der Größe — Fischbach ist mit fast 600 Schülern eine mittlere Schule — an die Reibungsverluste, zum Beispiel bei gemeinsamen Formularen oder zwei Sekretariaten. Da besteht ein großer Kommunikationsbedarf. In meinem ersten Jahr hatte ich einen Aufkleber an meinem PC, auf dem stand "Fischbach". Nach wie vor muss mir die Frage stellen: Ist die eine oder andere Angelegenheit für unsere Dependance interessant?
Ich habe Schuldezernent Wolfgang Kollmeier frühzeitig den Wunsch nach Trennung für den neuen Schulentwicklungsplan signalisiert. Für den Kreis ist dies kaum erheblich, denn die Ausstattung ist da. Mehrkosten entstünden nur durch eine zweite Schulleitung.