Die Flaute vor dem Sturm?
vom 08.06.2012
Alle Argumente zu Kelkheimer Schulsituation ausgetauscht — Geforderte Podiumsdiskussion wohl kein Thema mehr
Bis nach den Ferien wird wohl hinter den Kulissen gesprochen. Die Ergebnisse einer weiteren Umfrage direkt an der Gesamtschule liegen dann auch vor.
Noch vor drei Monaten hatten sich CDU und FDP mit ihren Stimmen im Parlament für eine Podiumsdiskussion zur Schulsituation in der Stadt stark gemacht. Der Magistrat solle die Veranstaltung bis Ende Juni organisieren, wurde beschlossen. Doch vor den Sommerferien wird es eine solche Runde sicher nicht mehr geben — möglicherweise ist sie ganz gestorben.
Weder der Initiator des damaligen Antrags, CDU-Parteichef Markus Bock, noch Volker Stender-Mengel, Schulleiter der Eichendorffschule (EDS), haben bisher Signale vernommen. Bock geht aber weiterhin davon aus, dass es die Gesprächsrunde noch geben wird. Martina Lenz, Elternbeiratsvorsitzende der EDS, glaubt nicht mehr daran: Die Podiumsdiskussion habe sich in ihren Augen erledigt. Es gebe unter den Eltern "keine Nachfrage und kein großes Bedürfnis" in diese Richtung.
Das dürfte Bürgermeister Thomas Horn (CDU) gerne hören, denn er müsste diese Veranstaltung als Chef des Magistrats organisieren. Doch davon ist er weit entfernt, wie im Kreisblatt-Gespräch herauszuhören ist: "Man muss sehen, ob man ein Problem nicht verschlimmbessert", sagt Horn auf die Frage nach der Diskussion. Es gebe zwar eine "hohe Realisierungsquote bei städtischen Beschlüssen", aber auch Aufträge, bei deren Nicht-Erfüllung "das Abendland nicht untergeht".
Gibt es also keine Podiumsdiskussion, sind vermutlich alle Argumente ausgetauscht. Das bestätigt der für das Thema zuständige Kreis-Schuldezernent Wolfgang Kollmeier (CDU): "Nachdem die Kelkheimer Eltern zu ihren Wünschen für die weitere Entwicklung an der Eichendorffschule befragt wurden, haben sich zwei Ansätze herausgebildet, die aber beide nicht von eindeutigen Mehrheiten getragen werden: Zum einen besteht der Wunsch nach einem grundständigen Gymnasium, zum anderen nach einer kooperativen Gesamtschule." Diese Ergebnisse werden den Gremien und der Politik vorgestellt und dort diskutiert. "Vor und nach der Sommerpause" laufen laut Kollmeier Gespräche, ohne dass aber schon entschieden werde. Um Eltern Planungssicherheit für das Schuljahr 2013/2014 zu geben, "soll spätestens im Herbst erkennbar sein, in welche Richtung es mit der Eichendorffschule aus Sicht des Schulträgers gehen wird".
Neue Erkenntnisse könnte eine weitere Umfrage direkt an der EDS bringen, die derzeit läuft. Sie war — mit vielen Punkten ausgestattet — laut Stender-Mengel und Lenz zunächst "aus datenschutzrechtlichen Gründen" gestoppt worden. Nun ist ein Papier mit drei Fragen übrig geblieben. So möchte der Elternbeirat erfahren, wie zufrieden die Familien mit der aktuellen Schulform in Kelkheim sind. Außerdem können sie eine Wunsch-Schulform wählen, und es wird nach den Erfahrungen der achtjährigen Gymnasialzeit (G 8) sowie dem Drang nach einer Rückkehr zu G 9 gefragt. Bis zum 15. Juni erwartet der Beirat die Ergebnisse zurück. Martina Lenz erhofft sich eine hohe Rücklaufquote, schließlich seien die EDS-Eltern, "die Fachleute, die das Thema beurteilen können". Aus diesem Grund sei die Umfrage nun doch noch gestartet worden. Außerdem "wäre es unfair gewesen, diese Eltern nicht zu berücksichtigen".
Ansonsten berichtet Schulleiter Stender-Mengel von "absoluter Flaute an der Front". Ruhig ist es auch um die Elterninitiativen geworden. Eine Gruppe setzt sich für den Erhalt der kooperativen Gesamtschule in Münster ein, der Elternbeirat hat in seiner Grundschul-Umfrage eine Tendenz zum Gymnasium ausgemacht. Auch mehrere politische Parteien haben sich schon festgelegt. Die Kelkheimer CDU allerdings noch nicht. Sie hat sich vergangene Woche mit dem Thema beschäftigt, aber eine Entscheidung stehe noch aus, betont Bock. Es ist aber längst bekannt, dass der Parteichef Verfechter eines Gymnasiums ist.
Das hört sich bei Bürgermeister Horn anders an. "Ich bin gegen radikale Änderungen", sagt er. Die ganze Diskussion belaste "den schulpolitischen Frieden" in der Stadt. In Kelkheim sei die Situation "hervorragend", betont Horn und erinnert an zwei prächtige Konzerte mit jeweils 600 Besuchern vor kurzem. "Da ist ein klasse Spirit in der Schule." Er erhalte täglich Post "zu allen Themen dieser Welt". Ein Missstand bei den Schulen "wurde noch nicht artikuliert". Die große Zeit, "Gestaltungspolitik an Schulen zu machen, ist nicht mehr", findet Horn. Über die Schulform G 8 "höre ich die Leute nur stöhnen", berichtet der Rathauschef. "Die Eltern haben heute schon genug Sozialstress." Die Politik müsse an Schulen zwei Dinge gewährleisten: gut ausgestattete Räume und eine ausreichende Lehrerversorgung. Horn ist überzeugt, dass Kollmeier mit seiner "abwägenden und umsichtigen" Art den richtigen Weg einschlagen werde.
Der so gelobte Parteifreund weiß um die Gratwanderung: "Bei der Diskussion um das Gymnasium darf eines nicht aus dem Blick geraten: Wir müssen auch an die Haupt- und Realschüler denken, für die ein ebenso qualitativ gutes Konzept gewährleistet sein muss wie für die Gymnasialschüler", sagt Kollmeier. "Die Eltern haben hier bisher sehr sachlich ihre Interessen vorgetragen. Ich bin zuversichtlich, dass die letzten Entscheidungen vor dem Hintergrund einer sachlichen Abwägung getroffen werden." Ende 2012 werde der Kreistag über den Schulentwicklungsplan abstimmen. Dann hat das Kultusministerium das letzte Wort.