Der Griff zur Flasche ist leicht

logo_presse_hk vom 03.11.2010

Suska Wolf, Beratungslehrerin für Sucht- und Gewaltprävention, klärt über Alkoholmissbrauch auf

Von Juliane Schneider

Als die Lehrer die Aula verließen, outeten sich viele Siebt- und Achtklässler, schon einmal getrunken zu haben.

Münster. «Man wird doch mal ein paar Schluck trinken dürfen!» Wenn es um Alkohol geht, hat Mike (Günther Keilhauer) alle möglichen Ausreden auf Lager. Dass ihn das Saufen vors Amtsgericht gebracht hat, weil er im Rausch seine Freundin Nicky angegriffen hat, scheint der 17-Jährige zu ignorieren. «Ich trink‘ ja nur auf Partys, hab‘ das alles voll im Griff.»

Das erzählt er jedenfalls in dem interaktiven Stück «Voll? Voll daneben!», mit dem die Kulturschule Leipzig jetzt die Siebt- und Achtklässler der Eichendorffschule für die Problematik des Alkoholmissbrauchs sensibilisieren wollte. «Nun soll ich auch noch in eine Beratungsstelle», empört sich Mike während er durch die Publikumsreihen in der Aula torkelt. «Warum seid ihr denn eigentlich hierhin gekommen, trinkt ihr auch?» Dabei schaut er einzelne Schüler direkt an und bezieht sie dadurch ein. Mit Erfolg: Alle hören gespannt zu. «750 000 Bundesbürger trinken jedes Jahr zum ersten Mal Alkohol», sagt eine monotone Stimme aus dem Off. Für zehn Prozent beginne damit ein lebenslanger Kampf mit der Pulle. Mike hat den Kampf zwischenzeitlich verloren. Dass es den Schülern nicht so ergeht, sollen Auftritte wie diese erreichen.

Bewusstsein schärfen

«Kennt ihr auch Leute wie Mike?», fragt Darsteller Keilhauer in der anschließenden Gesprächsrunde. Drei Schüler melden sich. «Ich kenne einen, der immer Geld für was zu Trinken schnorrt.» Ein anderer habe ständig eine Wodkaflasche im Schlafzimmer stehen. «Wer von euch trinkt denn überhaupt Alkohol?», will der Schauspieler wissen. Nur eine Hand hebt sich. Er trinke ab und zu ein Glas Prosecco, sagt der Schüler. «Trauen sich die anderen nicht, weil die Lehrer dabei sind?» Die Schüler nicken. Kurzerhand verlassen die Lehrkräfte die Aula. Jetzt schnellen fast alle Finger in die Höhe. Dennoch ist es nicht einfach, vor allen anderen über das Thema zu reden.

«Aber es ist wichtig, das Bewusstsein zu schärfen», findet Suska Wolf, seit 2003 Beratungslehrerin für Sucht- und Gewaltprävention an der Schule. Das Rauchen und Trinken habe zwar auch unter den Jugendlichen abgenommen – aber wenn getrunken werde, dann gefährlich viel. Damit spielt die 39-Jährige auf das sogenannte «Binge-Drinking» (Trinkexzesse bis zum Umfallen) und Flatrate-Trinken an, bei dem Jugendliche gelockt werden, zu einem Festpreis möglichst viel zu konsumieren. «Manche Veranstalter achten noch nicht einmal auf das Alter der Jugendlichen.»

Wege gebe es ohnehin viele, um an alkoholische Getränke zu kommen, weiß Suska Wolf. «Die fragen einfach einen Älteren.» Beliebt sei auch, sich vor dem Discobesuch mit Wodka zu berauschen, um dort die teuren Getränke zu sparen. Gerne brüsten sich junge Leute noch auf Internetseiten wie Facebook mit entsprechenden Aufnahmen. «Die Schüler denken, dass das nur ihre Freunde sehen, aber ich selbst schaue dort auch gelegentlich nach», berichtet die Lehrerin.

Eine Stunde in der Woche bekommt die Deutsch- und Powilehrerin für ihre wichtige Arbeit zugestanden, tatsächlich investiert sie wesentlich mehr: für Einzelberatungen — immer mehr auch zum Thema Essstörung — und Projekte wie das Theaterstück. Auch für Lehrkräfte steht Suska Wolf als Ansprechpartnerin zur Verfügung. «Das wird leider wenig in Anspruch genommen.» Dabei sei jede Klassenfahrt mit dem Thema Alkohol verknüpft. «Und hier ist die Schulregel eigentlich eindeutig», betont die Beraterin: kein Alkohol. Am besten sei es, diese Vereinbarung schon im Vorfeld mit den Jugendlichen zu treffen. Das sei ihr selbst bisher aber auch noch nicht gelungen.

Weitere Informationen über das Theaterstück und die Kulturschule gibt es unter http://www.kulturschule.info.