Schüler gründen Firma
vom 06.11.2015
Zum zweiten Mal durften die Eichendorffschüler ein Unternehmen gründen. Es besteht ein Jahr, gibt jetzt Aktien heraus und widmet sich einer allgegenwärtigen Thematik.
Es ist schon eine muntere Belegschaft, die sich da jeden Dienstag zur „Betriebsversammlung“ in einem Raum der Eichendorffschule (EDS) trifft. Da gibt es die Vorstandsvorsitzende Simone (15), die „das Soziale, das Organisieren und Planen mag“ und sich freut, wenn eine Aufgabe gelöst wird. Da ist auch Leo (15), der mit einem Freund selbst schon mal eine Firma für Protein-Riegel gründen wollte, das Kapital aber nicht zusammenbekam. „Das Junior-Projekt ist ein super zweiter Anlauf“, sagt der junge Firmengründer. Und da sind ein paar Jungs wie Finn, denen dieser Wahlpflicht-Kurs einfach gut in den Stundenplan passt.
Dabei können die Teilnehmer am Junior-Projekt nicht mal so eben ihre Zeit absitzen, haben sie doch ein ambitioniertes Vorhaben begonnen. Als Teil eines bundesweiten Schülerfirmen-Programms, das es an der EDS im zweiten Jahr gibt, haben sie das Unternehmen „Recigees“ gegründet. Vor wenigen Tagen sind die Gründungsurkunde und die 90 Aktien im Wert von 10 Euro, die der Betrieb nun an Kapitalanleger ausschütten darf, angekommen. Der Name setzt sich aus den Begriffen „Recipes“ (Rezepte) und „Refugees“ (Flüchtlinge) zusammen. Somit ist auch das Produkt der Firma schon fast erklärt: Die 14 Jungunternehmer wollen ein Kochbuch herausbringen, das bis zu 50 Rezepte von Flüchtlingen präsentiert. Darüber möchten sie, so weit möglich, dazu die Geschichten der internationalen Köche und ihrer Familien erzählen und das Ganze reichlich bebildern. Einen Titel für das Buch gibt es bereits: Er soll „Grenzenlos“ lauten. Auf die Idee gekommen sind sie bei einem der ersten Treffen. „Wir haben überlegt, wie wir Flüchtlinge allgemein einbinden können“, sagt Lisa (15). Ein Buch sei zunächst ein ganz anderer Einfall gewesen, und auch das Kochen wurde als Thema an die Tafel geschrieben. Aus allen drei Ideen machten die Schüler dann ein Projekt, für das sie sich mit deutlicher Mehrheit aussprachen.
Leuchtschuh, Handyleine
Keine Chance hatten andere Vorschläge wie die Produktion von leuchtenden Schuhsohlen, Tropfaufhängern für Tassen oder Leinen für das Handy. Ihr Pate ist EDS-Lehrer Roland Struwe. Längst sind die Schüler mittendrin im Projekt. Den Namen und das Logo haben sie schon gefunden, eine Facebook- und Twitter-Seite gibt es, eine Homepage ist in Planung, und auch die wichtigsten Posten wurden besetzt. Simone ist die Chefin, Lisa ihre Stellvertreterin. Daneben gibt es noch Abteilungsleiter für die Sparten Technik, Marketing, Finanzen und Verwaltung. Erste Gespräche mit Flüchtlingen und den Koordinatoren in Kelkheim wurden schon geführt, mit Arbeitskreis-Leiterin Salomé Korschinowski in Ruppertshain stehen sie in engem Kontakt. „Recigees“ kann sich vorstellen, in Kleingruppen die Heime zu besuchen, dort die Rezepte und Geschichten aufzunehmen und vielleicht auch direkt mitzukochen. Weitere Aktionen wie Angebote zu Weihnachten oder Ostern sind angedacht. Doch der Zeitplan ist straff. Anfang Dezember sollen die Bücher fertig sein. „Das Weihnachtsgeschäft wollen wir mitnehmen“, betont Simone.
Der Finanzrahmen ist eng gesteckt, erste Anfragen bei Druckereien laufen. Gut 300 Bücher möchte die Firma zunächst auf den Markt bringen, der Preis soll zwischen 10 und 20 Euro liegen. „Es soll bezahlbar sein“, sagt Philipp (17), den das Interesse an dieser Schülerfirma in die AG gelockt hat. In der Tat ist das Junior-Projekt etwas Besonderes. Im Vorjahr haben hessenweit 70 Schulen mitgemacht, seit 1994 waren es in ganz Deutschland wiederum etwa 80 000 Schüler. Ziel des verantwortlichen Instituts der deutschen Wirtschaft ist es, jungen Menschen „Grundprinzipien unternehmerischen Handels“ zu vermitteln. Dabei können sie erfahren, wie sich die Entscheidungen in der Firma wirtschaftlich, sozial und ökologisch auswirken. Es sollte sich dabei auf jeden Fall um nachhaltige Ideen handeln. Im Vorjahr war die EDS erstmals dabei. Die Firma „Wallaby“ stellte Turnbeutel her und erreichte schließlich beim Landeswettbewerb Platz vier. Mit seinem aktuellen Thema hat „Recigees“ da sicher auch gute Karten, wenn alle Jungunternehmer im Team an einem Strang ziehen — bevor die Firma dann zum Schuljahresende im Sommer 2016 wieder aufgelöst werden muss. So schreiben es die Regularien vor. Einen Teil ihres dann hoffentlich erzielten Gewinns möchten sie gerne an die Flüchtlinge weitergeben.
(wein)