G9-Option führt zu Streit in den Schulen
FAZ vom 19.03.2014
Der Stadtelternbeirats Frankfurts sieht die Schulgemeinden durch G9 entzweit. Der Beirat habt nun einen Leitfaden für den Wechsel auf G9 herausgegeben und zeigt dabei viele offene Fragen auf.
Die mögliche Umstellung bestehender Gymnasialklassen auf G9 entzweit nach Beobachtung des Stadtelternbeirats die Schulgemeinden. Zwar habe die Landesregierung versucht, einen „Schulfrieden“ zu erreichen, indem sie den fünften, sechsten und siebten Jahrgängen erlaubte, zur längeren Gymnasialzeit zu wechseln. Eingetreten sei jedoch das Gegenteil: An den einzelnen Schulen komme es zu Konfrontationen zwischen den Eltern, aber auch in den Kollegien und Schulleitungen. „Wir bedauern das sehr“, schreibt der Stadtelternbeirat in einem jetzt herausgegebenen „Leitfaden“, der Eltern von Gymnasiasten „eine sachliche Abwägung der Vor- und Nachteile“ eines Wechsels erleichtern soll.
In dem Leitfaden erläutert die Elternvertretung zunächst den Ablauf der Entscheidung: Für einen Wechsel bestehender Jahrgänge kommen nur Gymnasien in Frage, die schon beschlossen haben, ihre neuen Schüler wieder neun Jahre bis zum Abitur lernen zu lassen. Weitere Voraussetzung ist ein curricular und pädagogisch begründetes Umstellungskonzept für einen oder mehrere der bestehenden Jahrgänge, das auch die Frage beantworten muss, ob gegebenenfalls einzelne G8- oder G9-Klassen gebildet würden.
Viele offene Fragen
Beschlossen wird das Konzept von der Gesamtkonferenz, die sich aus allen Lehrkräften und sozialpädagogischen Mitarbeitern der Schule zusammensetzt. Dem muss zuerst die Schulkonferenz, in der Schulleitung, Lehrer, Eltern und Schüler vertreten sind, mit einer Zweidrittelmehrheit zustimmen. Danach muss das Einverständnis des Schulelternbeirats und der Schülervertretung eingeholt werden. Im Anschluss stimmen die Eltern getrennt nach Jahrgängen und anonym darüber ab, ob sie für ihr Kind G8 oder G9 haben wollen. Nur wenn alle Eltern einstimmig die längere Gymnasialzeit wünschen, kann die Schule sie für diesen Jahrgang einführen. Gibt es mindestens einen G8-Wunsch, aber nicht mehr als 15 Stimmen für die kürzere Schulzeit, muss der ganze Jahrgang dabei bleiben. Sollten sich 16 oder mehr Eltern für G8 aussprechen, kann für die Kinder eine separate Klasse eröffnet werden, wenn der Beschluss der Schulkonferenz das vorsieht. Zuvor muss allerdings abgewartet werden, ob die 16 Eltern, die sich anonym für G8 geäußert haben, ihr Kind auch tatsächlich in der G8-Klasse anmelden. Wenn nicht, bleibt wiederum der ganze Jahrgang bei G8.
Der Stadtelternbeirat weist überdies darauf hin, dass bei einer Aufteilung eines Jahrgangs in G8 und G9 alle Klassen neu zusammengesetzt werden müssen. Daraus ergäbe sich eine Reihe von Fragen, etwa danach, ob kleine G8-Klassen durch übergroße G9-Klassen kompensiert oder ob zusätzliche Klassen gebildet würden. Für etwaige neue Klassen seien nicht nur mehr Lehrer, sondern auch mehr Räume notwendig. Die Stadt Frankfurt habe es jedoch bisher abgelehnt, die Kosten für bauliche Veränderungen im Zusammenhang mit G9 zu tragen. Unklar sei auch, was geschehe, wenn die Zahl der Schüler in einer G8-Klasse in der Folgezeit unter 16 sinke. Aber selbst bei einer großen G8-Klasse sei fraglich, wie für die Schüler in der Oberstufe ein ausreichendes Angebot von Grund- und Leistungskursen gemacht werden könne.
Zwei Jahre länger Schule für Wiederholer
Der Stadtelternbeirat rät, das Konzept der Gesamtkonferenz auch hinsichtlich der Regelungen für die Fremdsprachen und für das Sitzenbleiben zu prüfen. Die heutigen Sechst- und Siebtklässler hätten die zweite Fremdsprache schon gewählt. „Was geschieht, wenn die Sprachenfolge der Schüler einer neu zusammengesetzten G8-Klasse nicht die gleiche ist?“ Geklärt werden müsse überdies, was mit Wiederholern aus einer G8-Klasse geschehe, wenn es im folgenden Jahrgang nur G9-Klassen gibt. „Nach bisherigem Stand müssen diese Schüler nicht nur ein, sondern zwei Jahre länger die Schule besuchen.“
Schließlich spricht der Stadtelternbeirat das Problem an, wie die bisher in G8 zusätzlich erteilten Stunden verrechnet werden, wenn Fünft-, Sechst- und Siebtklässler zu G9 wechseln. Würden sie abgezogen, „dann hätten die Schüler in Klasse 9 oder 10 nur noch sehr wenig Unterricht“. Das Konzept müsse darüber hinaus klären, ob es möglich sei, die geringere Pflichtstundenzahl der G9-Schüler durch freiwillige Angebote aufzufangen, oder ob sich Eltern darauf einstellen müssten, für eine anderweitige Nachmittagsbetreuung zu sorgen.
(Matthias Trautsch)