G8, G9 - oder irgendwas dazwischen

logo_presse_hk  vom 14.03.2014

Zu den neuen Regeln gibt es noch etliche Diskussionen, Konferenzen und Abstimmungen

Die Idee, das Abitur in acht statt neun Jahren anzubieten, wird in den meisten Schulen wieder zurückgenommen. Die Frage ist nur: Wie?

Die Schulen sind von altersher ein Experimentierfeld, auf dem sich jeder austobt. Ob es um Lehrinhalte geht, um Anfang oder Ende eines Schuljahres oder darum, wie lange Schule dauert, bis man das Abitur hat: Jeder darf seine Wünsche anmelden und viele werden erfüllt. Im Ausland dauert es nur acht Jahre bis zum Abitur, und die Wirtschaft würde die jungen Leute gern frühzeitig in den Wirtschaftsprozess eingliedern — bitte sehr: Wird gemacht. Nun sind plötzlich viele Schüler von G 8 überlastet — auch bitte sehr, wird wieder G 9 gemacht. Oder irgendwas dazwischen. Die Kultusbürokratie sichert sich ihr Überleben, indem sie dazu ständig neue Bestimmungen erfindet. Leidtragend sind Schüler und Eltern, die kaum noch einen Überblick haben, was welche Schule gerade treibt. Leidtragend sind auch die Lehrer, die den Eltern verklickern müssen, was sie machen, warum sie das machen und wie das rechtlich organisiert ist. Und am Ende kann es passieren, dass wenige Eltern alle schönen Pläne zunichte machen.

Das fürchtet Karl Hildebrandt, Leiter derHeinrich-Böll-Schulein Hattersheim. Noch gibt es in der Gesamtschule das G 8-Abitur. Alle, die nun in Klasse 5 kommen, werden wieder die längere Variante erleben. Das Problem sind die Jahrgänge dazwischen.

Kulturbürokraten

Die Hessischen Kultusbürokraten formulieren es so: „An Gymnasien und kooperativen Gesamtschulen, die ab dem Schuljahr 2014/2015 von G8 zu G9 wechseln wollen, sollen die jeweils bestehenden Jahrgänge 5, 6 und 7 in diesen Wechsel einbezogen werden können. An Schulen, die bereits zu Beginn des Schuljahres 2013/2014 zu G9 gewechselt sind, soll für die bestehenden Jahrgänge 6 und 7 ein Wechsel ebenfalls ermöglicht werden.“ Zweigleisig zu fahren, das kann sich die Böll-Schule, wie die meisten anderen Schulen, nicht leisten. Sie ist zu klein und hat zu wenig Lehrer, um beispielsweise Französischunterricht für G 8 und G 9-Schüler parallel anzubieten. Also wird jetzt erst einmal die Gesamtkonferenz, das sind alle Lehrer, beraten, was zu tun ist. Dazu macht die Schulleitung einen Vorschlag. Dann gibt es eine Elterninfo und danach eine Beratung in der Schulkonferenz, das sind die Vertreter von Lehrern, Eltern und Schülern. Und dann wird abgestimmt. „Und wenn alle dafür sind und nur ein Elternpaar G 8 will, dann bleibt es bei G 8“, sagt Hildebrand. Besitzstandswahrung nennt man das. Sicher ist aber, G 9 kommt wieder in Hattersheim für alle, die jetzt in Klasse 5 beginnen.

Horst Sewerin, Leiter der Main-Taunus-Schule, hat es da einfacher. Die MTS als größte Schule im Main-Taunus-Kreis kann es sich leisten, zweigleisig zu fahren und künftig G 8 und G 9 anzubieten. Vorerst aber wird es bei G 8 bleiben. „Wir haben das mal gestrafft, die Belastungen rausgenommen, und die Schüler müssen nur noch einen Nachmittag hier sein“, sagt Sewerin. Deshalb seien auch die Klagen über G 8 an der MTS nur sehr gering. Dennoch will die Schule langfristig über ein Mischsystem nachdenken. „Wir würden gern beide Gruppen dauerhaft unter einen Hut bringen, denn Eltern schätzen die Wahlmöglichkeiten“, sagt der Schulleiter.

Das Privatgymnasium Dr. Richter in Kelkheim wird zumindest im kommenden Jahr ebenfalls bei G 8 blieben. „Alle bestehenden Verträge laufen auf G 8 und wir sprechen mit allen Eltern, denn die Kinder werden hier einzeln aufgenommen“, sagt Schulleiterin Irene Müller. Die Richter-Schule komme mit G 8 gut zurecht, das liege aber auch daran, dass es kleine Klassen und kleine Lerngruppen gebe. Und das liegt wohl wiederum daran, dass man für den Besuch dieser Schule bezahlen muss.

Diskussionsprozesse, wie man verfahren will, gibt es zurzeit in der Albert-Einstein-Schule in Schwabach und der Heinrich-von-Kleist-Schule in Eschborn. In einem Punkt sind sich die Schulen einig, wer jetzt in die 5. Klasse kommt, hat wieder G 9-Unterricht. Die offene Frage ist: Was passiert mit denen, die jetzt in Klasse 6 und 7 sind? Da gibt es noch Konferenzen und Abstimmungen mit Lehrern und Schülern.

Die Eichendorffschule in Kelkheim hat sich dagegen schon für die Tendenz entschieden, dass es ab Klasse 5 wieder mit G 9 losgeht und man bis dahin bei G 8 bleibt. Schulleiter Stefan Haid erklärt: „Wir sind eine kleinere Schule mit musischem Schwerpunkt. Wir haben Profilklassen für Bläser oder Streicher oder den Chor. Bei einem Splittingmodell würde das alles auseinandergerissen und wir hätten kein Orchester mehr. Viele Eltern schicken ihre Kinder aber gerade wegen des musischen Schwerpunkts auf diese Schule.“

DieGraf-Stauffenberg-Schule in Flörsheimverkündet, G 8 werde wie geplant zu Ende gebracht. Für die neuen Schüler ab Klasse 5 werde noch entschieden, ob es mit G 8 oder G 9 weitergehe. DieMendelssohn-Bartholdy-Schulegeht dagegen ab der neuen Klasse 5 wieder zurück zu G 9. „Für die anderen gibt es bis jetzt keinen Beschluss, zu G 9 zurückzugehen. Alle bleiben bei G 8“, sagt Schulleiterin Sara Morawietz. Mit zweispurigen Experimenten dürfte die relativ kleine Schule auch schnell überfordert sein.

Ein letzter Hinweis: Ob es bei diesen Lösungen bleibt, ist ungewiss, denn der Politik und nachfolgend der Kultusbürokratie ist zum Thema Schule schon immer irgendwas Neues eingefallen. Man kann es ja erst mal einführen, dann zurücknehmen oder aus allem ein großes Mischmasch machen.

(Hanspeter Otto)