Ein Zeitzeugengespräch in der EDS
vom 31.01.2019
Ein paar Tage vor dem Internationalen Holocaust-Gedenktag, dem Tag, an dem zum Ende des Zweiten Weltkrieges das Konzentrationslager Auschwitz befreit wurde, hatte die Eichendorff-Schule zwei Zeitzeugen zu Gast, eingeladen von Roland Struwe. Die Reaktion einer Schülerin: „Da kommt das alles ganz anders rüber, ist viel mittelbarer.“ Sie bezog sich dabei auf den Vortrag von Inge Geiler, Autorin des Buches „Wie ein Schatten sind unsere Tage“, ein Buch, das sich mit dem Schicksal jüdischer Familien in der Zeit des Nationalsozialismus und danach befasst.
Sie selbst hat die Zeit bis 1945 nur „am Rande“ erlebt, war ein Kind von elf Jahren als der Krieg zu Ende ging.
Am Rande? Das kann man wirklich nicht sagen. In Mainz erlebte sie die Schrecken von Luftangriffen, sah von ihrem Elternhaus nur noch Trümmer. In den Jahren, da die Zuteilungen für Juden dezimiert waren, die Angst des Kindes als der Betonbunker unter der Wucht von Bombenexplosionen schwankte, ein Bunker, in dem Juden keinen Zutritt hatten. Dann das Kriegsende in Bad Kreuznach bei den Großeltern, immer noch traumatisiert von den Erlebnissen in Mainz.
Später dann das Bewusstsein, dass in Frankfurt nur 160 Juden den Krieg überlebt hatten. Ihr eigenes Leben später im Westend als Frau eines Zahnarztes und das Treffen mit jüdischen Rückkehrern aus Argentinien und Chile.
Ihre Bemerkung, ich hatte eine schöne Kindheit, der Hinweis, dass wir heute siebzig Jahre ohne Krieg leben und schließlich die erschütternde Geschichte vom Fund von Dokumenten hinter einer Verkleidung in ihrer Wohnung. Da wurde ihr klar, dass sich vor ihr das Schicksal von Frankfurter Juden auftat, das sich mehr und mehr vertiefte, als sie sich mit den Unterlagen, Dokumenten und Briefen befasste.
So konnte sie ihren Zuhörern ein Bild der Menschen aufzeichnen, die vor ihr in der Wohnung lebten, der Familie Grünbaum. Auch von den Nachfahren, die nach der Flucht überlebt hatten.
Von diesen Erlebnissen angeregt, schrieb sie dann fünf Jahre lang ein Buch, das neben ihr auf dem Tisch lag: „Wie ein Schatten sind unsere Tage“.
Und zum Schluss zeigte sich auch wieder, dass den jungen Menschen von den Vorfahren, von den Großvätern, nur wenig berichtet wurde.
Ähnlich den Soldaten, die auch nur wenig von ihren Kriegserlebnissen zu Hause erzählten.
Das Bild oben zeigt Inge Geiler im Gespräch mit Roland Struwe und Gerhard Wiese, der als zweiter Zeitzeuge mit Schülern der Jahrgangsstufe Q3, 17/18 Jahre alt, sprach.
Der Zeitzeuge war Anwalt bei den Frankfurter Auschwitzprozessen, erlebte also unmittelbar, wie sich die Angeklagen für ihre Verbrechen rechtgertigten.
Noch einmal die Reaktion einer Schülerin: „Da kommt das alles ganz anders rüber, ist viel mittelbarer“.