Deutschunterricht im Museum
vom 28.05.2018
Der Radiosender HR 2 hat die Aktion „Junges Literaturland Hessen“ ins Leben gerufen. Derzeit machen drei Klassen mit – darunter Jugendliche aus elf Nationen, die in der Eichendorffschule Deutsch lernen. Ein Poetry-Slammer, Museumspädagogen und Radiojournalisten helfen ihnen jetzt dabei.
Da haben die Eichendorffschüler nicht schlecht gestaunt: ein Telefon mit Hörer, Wählscheibe und Kabel oder eine Kutsche, die früher die Post brachte. Und was ist das für ein gelber Kasten mit Glasscheiben und Tür? Über die Telefonzelle wundern sich die Jugendlichen der Intensivklasse an der EDS sicher heute noch. „So ein Museum gibt es in meinem Land nicht“, sagt Alvaro. Der Zwölfjährige stammt aus Chile und ist wie seine Klassenkameraden ganz beeindruckt vom Frankfurter Museum für Kommunikation.
Sprachprojekt der Intensivklasse der Eichendorffschule Münster im Museum
für Kommunikation in Frankfurt: Hier schauen sich die Schüler alte Telefone mit Poetry-Slammer Dalibor Markovic, Lehrerin Petra Thiede und Museumspädagoge Fabian Lenczewski (rechts) an.
Spannender Lernraum
Museumspädagoge Fabian Lenczewski hat die Münsterer Schüler durch die Räume geführt. Doch es ist nicht eine übliche Tour, wie sie Schulklassen hier jederzeit buchen können. Die Intensivklasse der EDS ist Teil eines besonderen Projektes. Der Radiosender HR 2 Kultur und die Sparkassen-Kulturstiftung Hessen-Thüringen haben das Projekt „Junges Literaturland Hessen“ ins Leben gerufen – die Kelkheimer sind eine von drei ausgewählten Klassen in diesem Zeitraum – neben Schulen aus Seligenstadt und Lichtenfels. „Die Idee ist, Schüler ins Museum zu bringen“, sagt Christiane Kreiner vom Radiosender. Und sie damit zu kreativen Erfahrungen zu ermutigen. Während die Kelkheimer im Museum für Kommunikation ihren Lernraum haben, schauen sich die anderen Schüler im Seligenstädter Regio-Museum und im Marburger Haus der Romantik um. Eben Orte, die auch mit Sprache zu tun haben, wie Christiane Kreiner betont. Mit der EDS sei bei der zweiten Auflage des Projektes zum ersten Mal eine Intensivklasse dabei, freut sie sich.
Das geht Petra Thiede ähnlich. Die Lehrerin der Klasse hat Ende 2017 von der Aktion erfahren und sich bald beworben. Nach dem Start weiß sie schon, dass es sich lohnen wird: „Die Schüler haben sich gut geöffnet. Man merkt, dass sie Spaß haben.“
Dabei ist ihre „Aufgabe“ in der Intensivklasse nicht leicht. Manche Jugendliche sind erst wenige Monate in Deutschland, kommen in ein neues Schulsystem. Im „geschützten Raum“ (Thiede) haben sie bis zu zwei Jahre Zeit, die Sprache so zu lernen, dass sie in die Regelklassen wechseln können. Zum Vergleich: Deutsche Kinder haben bis zu zehn Jahren Zeit zum Lernen, betont die EDS-Lehrerin Petra Thiede.
An der EDS haben sie das Projekt bereits begleitet, Plakate gestaltet, Videos gedreht, Gedichte gelernt. Nach nun zwei Terminen im Museum für Kommunikation wird das Projekt von HR2 im Juni in der Schule fortgesetzt. Die jungen Teilnehmer dürfen eigene Texte verfassen, etwa zu Objekten im Museum. Unterstützung bekommen sie von einem Fachmann: Beatboxer und Poetry-Slammer Dalibor Markovic begleitet die Klasse, macht mit ihnen Übungen, Spiele, feilt an den Texten. Selbst wenn Kinder nur rudimentäre Kenntnisse haben – „sie können sich in der Sprache ausdrücken über den Körper und die Stimme“. Markovic: „Schüler, die nicht schreiben, haben ihre eigenen Codes.“ Über diese Schiene in Kombination mit den Eindrücken des Museums will er den jungen Leuten einen weiteren Einstieg bereiten. Sein Metier des Poetry Slam schaffe da doch leichter einen Zugang.
„Keine Berührungsängste“
Mal sehen, wie das Ergebnis am Ende aussieht. Denn in der Schule werden die Jugendliche aus ihren Texten mit Unterstützung der HR 2-Journalisten kleine Hörstücke machen. Damit gehen die Kelkheimer Ende 2018 sogar auf Sendung. Fabian Lenczewski vom Museum für Kommunikation findet das klasse und freut sich, dass die Schüler „keine Berührungsängste“ haben. Und die jungen Leute geben das Lob gerne zurück. „Ich fand es interessant, weil ich so viel gelernt habe, wie es vorher war mit der Kommunikation“, sagt Tina (14), die aus Afghanistan kommt, seit einem Jahr in Deutschland ist und nun in Hofheim wohnt. Alvaro hat ebenfalls viel gelernt. Doch schwer sei es immer noch. Was besonders? „Die Grammatik“, schießt es aus einigen Schülern, die aus insgesamt elf Nationen kommen und zwischen 11 und 16 Jahre alt sind, heraus.
(wein)